Landeselternrat Sachsen – Statement zum anstehenden Schuljahr

Der Landeselternrat Sachsen als engagierte Vertretung der Eltern im Freistaat setzt sich in Vorbereitung auf das kommende Schuljahr für eine verlässliche und berechenbare Rahmensetzung ein und fordert ein grundsätzliches Umsteuern in der Bildungspolitik aller beteiligten Akteure, über Parteigrenzen hinweg.

Gleiche Bildungsmöglichkeiten unserer Schülerinnen und Schüler, ob aus der Stadt oder dem ländlichen Raum und unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, erfordern endlich eine abgestimmte, transparente und zukunftsorientierte Bildungspolitik sowohl für das kommende Schuljahr wie auch für das nächste Jahrzehnt. Diese beschränkt sich nicht auf Rahmungen durch ein zuständiges Ministerium, ihr Erfolg wird ganz konkret vor Ort an jeder Schule, in jedem Klassenzimmer gemessen.

Rückblick auf eine anstrengende Zeit

Die letzten eineinhalb Schuljahre waren für Schüler, Lehrer und Eltern eine immense Herausforderung, die mit großem persönlichem Einsatz gemeinsam, aber auch ganz unterschiedlich bewältigt wurde.

Diese Zeit hat viel Kraft gekostet und Spuren hinterlassen.

Sie war häufig geprägt von Unsicherheit und Ängsten – wie sich wohl der Schulalltag in der nächsten Woche gestalten wird, reicht das zu Hause erlernte aus, wie werden sich die Prüfungen gestalten, worauf soll ich mich vorbereiten, hat der erzielte Abschluss überhaupt noch die gleiche Wertigkeit wie vor 3 Jahren, …

So war es für Schüler, Eltern aber vor allem auch Lehrer und Schulleitungen oft eine Zumutung, wenn Freitag 18:00 Uhr mittels Pressemitteilung darüber informiert wurde, ob und wie Montag früh die Schulen öffnen.

Was ist angesichts einer noch nicht überwundenen Pandemie zu tun?

Wir erwarten klare Vorgaben in Bezug auf die pandemische Situation, die Inzidenzzahlen und die klinische Situation, welche beispielsweise Orientierung geben, wann wird der Schulbeginn entzerrt, wann werden die Schüler auf die möglichen Eingänge in den Schulgebäuden verteilt, wann gilt Maskenpflicht im Schulhaus oder Klassenzimmer, welche Tests sind wie oft verpflichtend und wann wird die Schulpräsenzpflicht aufgehoben. All dies verbunden mit einer angemessenen Reaktionszeit für Schulleitungen, die Lehrer- und Schülerschaft sowie Eltern von z.B. 3 Werktagen Vorlauf. Wir möchten ausdrücklich bekräftigen, dass ein Wechselunterricht bzw. Homeschooling die nur Ultima-ratio sein dürfen.

Dennoch fordern wir, auch im Sinne gleicher Bildungschancen, zum Schuljahresbeginn endlich eine Festlegung von Mindeststandards für das Homeschooling. Hierzu müssen sich das Sächsische Ministerium für Kultus (SMK) und die Landesämter für Schule und Bildung mit den Schulen verbindlich einigen.

Es ist schlicht nicht im Sinne der Gleichbehandlung, wenn die Lernqualität und -quantität im Heimunterricht bereits innerhalb einer Schule massiv variiert, von verschiedenen Schulformen und auch Landkreisen ganz zu schweigen.

Beispielsweise seien genannt: Wochenpläne mit Tagesaufgaben, regelmäßige Feedbacks, eine Videokonferenz pro Woche als Minimum sowie die Ermöglichung sozialen Austausches. Auch hier gilt es vor Ort – ggf. unter Führung der Landesämter für Schule und Bildung – aus den Empfehlungen verbindliche Festlegungen zu formulieren.

Wir fordern eine Verstärkung der Angebote zur Weiterbildung der Lehrer, um die digitalen Kompetenzen auszubauen sowie eine grundsätzlich angemessene personelle Begleitung durch Administratoren.

Wie Studien zeigen, ist die Lernmotivation bei Schülern aller Altersgruppen in Zeiten des Lockdowns gesunken. Hier wünschen wir uns, dass bewusst Anstrengungen unternommen werden, Motivation, ja Begeisterung bei unseren Kindern (wieder) zu erzeugen – ausdrücklich auch bei den lernstarken Kindern, z.B. mit Projekten und spezieller Förderung.

Die zentrale Herausforderung für das kommende aber auch die darauffolgenden Schuljahre wird der Umgang mit den entstandenen Bildungslücken und -defiziten sein.

Die Schere zwischen Schülern mit Nachhol- und Förderbedarf und Schülern mit guten oder sehr guten schulischen Leistungen ist viel weiter auseinandergegangen, als dies ohne Pandemie der Fall gewesen wäre.

Wir fordern bis Ende Oktober sachsenweit eine verpflichtende Lernstandserhebung zur klaren Feststellung des Förderbedarfes sowie eine sinnvolle Anpassung des Lehrplanes.

Wir fordern einen für Schüler, Lehrer und Eltern klar definierten Maßnahmenkatalog, welcher die Angebote, Programme und Möglichkeiten darlegt und nachvollziehbar beschreibt, wer wofür verantwortlich ist. Verbindlichkeit darf nicht durch empfehlende Beliebigkeit ersetzt werden, um zu verhindern, dass Quantität und Qualität dieser Maßnahmen allein vom zufälligen Engagement einzelner Akteure abhängen.

Wir erwarten dabei zum Schuljahresende eine Evaluierung der Ergebnisse, um feststellen zu können, inwieweit die ergriffenen Maßnahmen den Schülerinnen und Schülern wirklich geholfen haben. Das muss selbstverständlich sein.

Darüber hinaus brauchen wir ein transparentes Qualitätsmanagementsystem, das die regelmäßige Evaluation der Arbeits- und Lernbedingungen sowie der Unterrichtsqualität sicherstellt und die alle Beteiligtengruppen von Schule einbezieht. D.h. beispielsweise, dass auch Schüler mindestens halbjährlich ihren jeweiligen Fachlehrern rückmelden, was Lernen befördert, wovon sie gern mehr hätten und was lernhemmend wirkt.

Neben den schulischen Defiziten haben Schülerinnen und Schüler vor allem unter den sozialen Auswirkungen der Pandemie gelitten. Wenig soziale Kontakte, kaum Sport im Verein, Gefühle von Einsamkeit, Depression und häusliche Gewalt sind hier schwerwiegende Schlagworte.

Schulen aller Schularten brauchen deutlich mehr Unterstützung im Bereich Sozialpädagogik, bei der Schaffung multiprofessioneller Teams – bestehend aus Schulpsychologen und -sozialarbeitern, einen Ausbau der Schulsozialarbeit generell und bei der proaktiven Hilfe und Unterstützung für Eltern und Kinder.

Auch die Qualifizierung der Lehrer hinsichtlich ihrer sozialpsychologischen Kompetenzen muss vorangetrieben werden – beispielsweise in den Bereichen Moderation, Mediation oder auch Klassen-Team-Bildung.

Wie gestalten wir JETZT die Zukunft?

Wer soll all das vorweg genannte umsetzen? Wer ist dafür verantwortlich?

Seit Jahren beklagen wir eine noch immer dünne Personaldecke bei Lehrern, Sozialarbeitern und Förderlehrern.

Wir fordern daher eine auf lange Sicht angelegte Bildungspolitik zur Stärkung des Bildungsstandortes Sachsen für die nächsten 10 bis 15 Jahre.

Ein „Herumwurschteln“ von Jahr zu Jahr können wir uns alle nicht leisten.

Wir fordern weiter massive und kreative Anstrengungen zur Verbesserung der Personalsituation in allen Bildungs- und bildungsnahen Bereichen. Das sind u.a. Programme zur Ausbildungsförderung, die Einbeziehung von Quereinsteigern und deutliche Anreize für junge Menschen den Lehrerberuf zu erlernen.

Innovationen insbesondere auch zur Förderung des ländlichen Raumes sind hier gefragt.

Auch hier dürfen die Ressourcen nicht der Engpass sein, wenn wir auf lange Sicht eine gerechte und gute Bildung und Betreuung aller unserer Kinder sicherstellen wollen.

Wir alle sind dafür verantwortlich, wir müssen sie übernehmen und nicht auf jeweils andere Zuständigkeiten verweisen.

Wir alle, das SMK, die Landesämter für Schule und Bildung, die Schulleitungen, Lehrer, Schüler, Eltern und deren Vertretungen, die gewählten Vertreter in den kommunalen und regionalen Parlamenten und im Landtag, wir alle haben mit einem unterschiedlichen Maß an Verantwortung dafür gerade zu stehen, dass wir in wenigen Jahren über wirkliche Erfolge im Bereich Schule sprechen können und nicht über jahrzehntealte Defizite.

Fazit

Gut ausgebildete, glückliche und starke Kinder und Jugendliche sind die Grundlage für eine starke und offene Gesellschaft in der Zukunft.

Jetzt und heute „bilden“ wir die klugen Köpfe, die starken Schultern, die gefestigten Demokraten aus, die sich den Herausforderungen unserer Gesellschaft in den nächsten Jahrzehnten stellen müssen, die dem Klimawandel durch Innovation begegnen und den demografischen Wandel mit gerechten Konzepten bewältigen müssen.

Heute legen wir den Grundstein für unsere Gesellschaft von Morgen, wir brauchen gefestigte Persönlichkeiten, die sich in den digitalen Welten orientieren können und gelernt haben, wie man zukunftsfähige Entscheidungen trifft.

Es ist längst an der Zeit zu handeln und Geld, viel Geld in die Hand zu nehmen, um bestmögliche Bildung, Ausbildung und Förderung der jetzigen und folgender junger Generationen zu ermöglichen und zu sichern.

Die Finanzierung von Bildung muss hierzu neu und gesamtgesellschaftlich diskutiert werden. Es braucht neue Prioritäten.

Der Landeselternrat Sachsen steht für eine offene und diskursive Praxis.

Wir wünschen uns eine gesellschaftlich breite Diskussion mit Experten aus der Wissenschaft , den politischen Akteuren , den Eltern und Schülern und der Lehrerschaft über die Paradigmen unseres Bildungssystems , aktuell über die Perspektive der nächsten Dekade.

Wir laden ein zum regelmäßigen Dialog über eine moderne Schule, die dem Stand der Wissenschaft entspricht. Wir wollen eine Schule mit zeitgemäßen Lehrplänen und mit modernen Lern und Unterrichts formen, die in einem partizipativen Miteinander dafür sorgt, dass Schüler und Lehrer gleichermaßen ihre Schule als wunderbaren Lernort bezeichnen können.

Packen wir es gemeinsam an – für unser Bildungs-Land Sachsen!

Die Stellungnahme im kompletten Wortlaut finden Sie hier:

2021-07-Statement-Landeselternrat-Sachsen-Juli-2021